Betriebsausflug
Airbus wandelt sich zur Fabrik 4.0
Auf diese Reise will der Flugzeugbauer die gesamte Belegschaft mitnehmen.
Man könnte von einem riesigen Berg Arbeit sprechen, aber das wäre untertrieben. Daher macht Stephan Röpke an einer Geschichte deutlich, was ihn und seine Kollegen zukünftig bei Airbus in Hamburg-Finkenwerder erwartet. „Stellen Sie sich vor, Sie sind Bauherr“, erzählt der Cabin-&-Cargo-Architekt. „Und Sie haben nach einem Jahr Bauzeit für gut 100 Millionen Euro ein 30-stöckiges Hochhaus errichtet. Da sagt man Ihnen: ‚Und jetzt brauchen wir alle sechs Stunden ein fertiges Haus wie dieses.’ Das ist die Herausforderung, vor der wir stehen.“ Weil der Luftverkehr wächst, will Airbus mehr Flugzeuge in immer kürzerer Zeit bauen. 2016 rollten monatlich 42 A320-Maschinen aus den Produktionshallen, 2019 sollen es 60 sein. „Wir müssen unsere Produktivitätsrate signifikant steigern“, sagt Röpke. „Das wichtigste Instrument ist hierfür die Industrie 4.0.“ Es geht dabei um die Automatisierung der Produktion durch digitale Technologien. Ein Jahr lang hat der Ingenieur das Konzept einer Zukunftsfabrik mitentwickelt, in der Menschen in Kooperation mit Robotern Prozesse ausführen, die zuvor in der virtuellen Realität geplant werden. Ein digitales Daten-Backbone – ein Rückgrat –, in das Echtzeitinformationen aus allen Unternehmensbereichen einfließen, vernetzt dann zum Beispiel Lieferketten, Operations- und IT-Infrastruktur miteinander, die Airbus heute noch über verschiedene Tools steuert.
In der Fabrik der Zukunft „sehen die Konstrukteure sofort, wie sich ihre Entwürfe auf die Fertigung auswirken“, erklärt Röpke. „Und weil die Beteiligten immer im Blick haben, wenn etwa ein Bauteil zu spät geliefert wird, können sie ihre Arbeit frühzeitig umplanen.“ So gerate Airbus nicht in Verzug und schaffe Transparenz. „Jeder weiß zu jeder Zeit, in welchem Bauzustand sich ein Flugzeug befindet.“ 2017 startet Airbus etliche Forschungsprojekte zum Flugzeugbau 4.0.
Ein Schwerpunkt bildet dabei die Qualifizierung des Personals. „Airbus will die Belegschaft für die digitale Transformation fit machen“, betont Ausbildungschef Jan Balcke. Damit vor allem die älteren Kollegen nicht auf der Strecke bleiben, geht Airbus unter anderem gemeinsam mit Universitäten, Forschungsinstituten und Sozialpartnern der Frage nach: „Wie verändern sich Arbeitsplätze und Qualifikationsanforderungen im Zuge des Technologiewandels in der Luftfahrtindustrie?“ Dieser Prozess verlaufe sicherlich nicht konfliktfrei, meint Balcke. Aber die Chancen überwiegen, dass die Mehrheit der Beschäftigten von einer Industrie 4.0-Arbeitswelt profitiert. Es sei die Aufgabe von Airbus zu vermitteln, dass keiner umhinkomme, sich an neue technologische Bedingungen anzupassen.
„Wir treten eine Reise an, ohne genau zu wissen, wohin sie uns führen wird“, sagt Personalgeschäftsführer Marco Wagner. Doch schon in zwei, drei Jahren rechnet der Manager mit sichtbaren Ergebnissen. Dann werden die ersten Erkenntnisse über die Flugzeugindustrie 4.0 in Entwicklungs- und Produktionsverfahren umgesetzt. An allen Standorten sind bereits Aktivitäten angelaufen, die nicht nur technologiegetrieben sind. „Die personalbezogenen Projekte haben für uns einen genauso hohen Stellenwert“, sagt Wagner. Zur Industrie 4.0 gebe es keine Alternative. „Wir müssen die Standorte wettbewerbsfähig halten. Und das geht nur, wenn wir Quantensprünge machen.“
Hinweis des Impressums: Dieser Artikel wurde im FOCUS Magazin (Ausgabe März 2017) veröffentlicht und von Helmut Monkenbusch verfasst.